Bischofswerda/Mumbai: 12 Jahre Schule, und dann? Diese Frage stellen sich jedes Jahr tausende Schüler nach ihrem Abitur. Eine davon war in diesem Jahr Anna-Lucia Linss aus Bischofswerda, die sich für etwas ganz besonderes entschieden hat. Ich habe mich vor einigen Wochen mit „AnnaLu“, wie sie ihr Freunde liebevoll nennen, getroffen und sie über sie über ihre besondere Reise für einen Beitrag in der Sächsischen Zeitung Bischofswerda ausgequetscht.
Bevor wir über ihre besondere Reise und ihre Aufgaben sprechen, noch etwas über die 18-Jährige Schiebockerin vorweg.
RocciPix: Was hast du neben deinen schulischen Aktivitäten in deiner Freizeit alles so angestellt? Welchen Hobbys bist du nachgegangen?
AnnaLu: „Neben der Schule habe ich mich in meiner Freizeit viel sozial engagiert. Unter anderem bin ich besonders in meiner Pfarrgemeinde St. Benno Bischofswerda aktiv. So war ich für 4 Jahre Oberministrantin, das heißt, dass ich wöchentlich eine Gruppe von 10 Kindern im Ministrieren unterrichtete. Bis zur 9. Klasse durfte ich die religiöse Kinderwoche, welche jährlich in den Sommerferien stattfindet, als Kind besuchen. In diesem Jahr bin ich nun zum fünften mal aktiver Helfer. In der RKW geht es jedes Jahr um ein religiöses Thema, welches wir mit rund 80 Kindern in Katechesen erlernen. Doch zu dieser Woche gehört natürlich auch viel Spaß, Spiel, Gesang und Ausflüge, welche alle geplant werden müssen. Dafür sind wir meist ein Helferteam von 30 Jugendlichen. Auch bei anderen Veranstaltungen in der Kirche habe ich viel geholfen. So war ich als Sternsinger aktiv, im Kirchenchor und im Kinderpastoral.
Auch im Pfarrgemeinderat konnte ich unsere Jugendgruppe vertreten. Die Jugend trifft sich jeden Freitag auf dem Pfarrgelände und plant und veranstaltet gemeinsam Jugendabende. Auch in unserer Dekanatsjugend durfte ich die katholische Jugend Bischofswerda drei Jahre lang vertreten. Das Dekanat reicht von Bautzen bis Zittau und wir planen gemeinsame Wochenenden und Ausflüge für alle Jugendgruppen des Dekanats.
Doch ich konnte mich nicht nur in der Kirche meinen eigenen Herausforderungen stellen, sondern auch im Sport. So war ich das letzte halbe Jahr der Jugendwart des TV 1848 Bischofswerda und trainierte einmal pro Wochen die jüngste Leichtathletikgruppe. Aber natürlich habe ich auch ein Privatleben. Leichtathletik ist ein großes Hobby von mir und bei allem, was mit Sport zu tun hat, bin ich dabei. Eine andere Freizeitbeschäftigung ist das Klavierspielen. Seit 13 Jahren durfte ich wöchentlich zum Klavierunterricht gehen und mein Können auch im Abitur beweisen. Ansonsten treffe ich mich sehr gerne mit Freunden und liebe den Sommer.“
RocciPix: Wie war dein Schulabschluss? Bist du zufrieden mit dem Ergebnis?
AnnaLu: „Mein Abitur habe ich mit einem Durchschnitt von 1,8 bestanden. Damit bin ich recht zufrieden, da ich keine Pläne für ein Medizinstudium oder ähnlich anspruchsvolles habe. Wichtiger war mir auch da wieder das soziale Engagement. So war ich seit der fünften Klasse Klassensprecherin, zwei Jahr im Schülervorstand und zwei Jahre in der Schulkonferenz.“
RocciPix: Wo genau geht es für dich hin und was wird dich vor Ort erwarten? Weißt du schon welche Aufgaben du dort hast?
AnnaLu: „Am 05. September geht es für mich nach Indien. Um genau zu sein in die Millionenmetropole Mumbai. Dort werde ich für zwölf Monate in einem „GP“ tätig sein. Auf dem Campus leben 40 Jungs im Alter zwischen zehn und 18 Jahren, welche aus den umliegenden Slums kommen und oft keine Familie mehr haben. Mein normaler Tagesablauf wird so aussehen: Vormittags werde ich in der Schule unterrichten und Nachmittags Projekte betreuen. Außerdem werden wir in Indien natürlich viele Feste feiern, da alle Religionen auf einem Fleck gemeinsam wohnen und jeder jedes Fest mitmacht.
Somit gibt es jede Woche Feiertage, an denen wir im Heim große Parties veranstalten werden, bei denen ich mitwirke. Das alles ist ein Auslandsfreiwilligendienst über die katholische Organisation Don Bosco Mission Bonn und ich komme gemeinsam mit einem Mädchen aus Köln in die Einrichtung in Mumbai. Wir konnten uns schon auf den Seminaren kennenlernen, von denen wir seit Oktober 2018 insgesamt vier hatten. Die Seminare haben mich und meine 22 Mitvolunteere, die ab September weltweit verteilt sein werden, sehr gut vorbereitet. Das Don Bosco Team hat uns neben organisatorischen Sachen auch viel über beispielsweise den Kulturschock und das Problem der europäischen Brille vorbereitet.“
RocciPix: Worauf freust du dich am meisten?
AnnaLu: „Am meisten freue ich mich darauf, eine neue Kultur kennen zulernen und natürlich den Kindern helfen zu können. Auch wenn ich in einem Jahr nicht die Welt verändern kann, möchte ich trotzdem dieses Projekt für mich und mein Gewissen machen. Und hoffentlich werde ich einen Teil vor Ort schaffen, der sowohl mich, als auch die Kinder glücklich macht. Ich freue mich auch total auf die Menschen und das Essen. Ich möchte so viel wie möglich Eindrücke sammeln, die ich mit meiner Kamera dokumentiere. Natürlich bin ich auch auf das Reisen gespannt. Indien ist ein riesiges Land, das ich so viel wie möglich mit meiner Mitvolunteerin bereisen will.“
RocciPix: Warum genau hast du dich dafür entschieden, das Jahr dort hin zu gehen?
AnnaLu: „Don Bosco versendet die Freiwilligen nach Südamerika, Afrika und Indien. Man konnte Wünsche angeben in welches Land, beziehungsweise auf welchen Kontinent man will. Mir ist jedoch schnell aufgefallen, dass mir das Land egal ist, solange ich in ein für mich ansprechendes Projekt komme. Also habe ich meine Wünsche zum Projekt angegeben und wurde dann zugeteilt. Das es nun Indien ist, und dann auch noch eine so große Stadt, finde ich super. Ich glaube es ist gut für mich, dass ich nicht zu hohe Ansprüche an ein bestimmtes Land hatte und somit offen für alle Kontinente war. Mit Indien bin ich nun total zufrieden und bereite mich seit Juni auf das Land und die Kultur vor.“
RocciPix: Wie bist du auf diese Organisation gekommen? Hast du sie gefunden oder haben sie dich gefunden?
AnnaLu: „Ich bin durch die RKW 2015 das erste mal auf Don Bosco gestoßen. Unser Thema war in diesem Jahr „Giovannis Traum“ und wir lernten die Kindheit Giovanni (Don) Boscos kennen. Im selben Jahr machte unsere Jugend bei einer Fahrt, im Zusammenhang mit der RKW, mit. Unser Ziel hieß Turin, wo Don Bosco lebte. Wir lernten sehr viel über sein Leben und Wirken kennen. Dort wurde uns erzählt, dass man auch über die Don Bosco Organisation ein Auslandsfreiwilligendienst machen kann.
Das hat mich sofort angesprochen, da ich schon immer ein Auslandsjahr machen wollte. Da ich dieses nun mit einem sozialen Projekt verbinden konnte, war ich gleich Feuer und Flamme. Ein Jahr später schrieb ich meinen Beleg in der Schule über die Organisation. Die tiefgründige Recherche machte mir erst deutlich, wie riesig die Ordensgemeinschaft und die Organisation ist. Das I-Tüpfelchen bescherte mir dann im selben Jahr meine Schwester, die ein sechsmonatiges Praktikum bei der Don Bosco Mission in Bonn machte. Sie erzählte mir von dem super Team und der Freundlichkeit, die die Organisation ausstrahlt.
So habe ich mich dann im September 2018 beworben und wurde nach dem Bewerbungseminar im Oktober für den Auslandsfreiwilligendienst genommen. Ich habe es keinen Moment bereut, über Don Bosco mein Auslandsjahr anzutreten. Für mich kam auch keine andere Organisation in Frage, da die Salesianer Don Boscos mich von Anfang an ansprachen.“
RocciPix: Bei einer solchen Reise fallen hohe Kosten an. Wie stemmst du diese?
AnnaLu: „Leider finanziert sich so ein Jahr im Ausland nicht von selbst, da Kosten für Flüge, Auslandsversicherung, Unterkunft, Verpflegung und Seminare entstehen. Don Bosco Volunteers wird durch das Programm weltwärts, welches 75% der Kosten übernimmt, staatlich gefördert. Es bleibt aber ein Restbetrag von ca 2500 € offen. Diesen muss die Organisation tragen. Don Bosco Volunteers ist eine Non-Profit-Organisation. Das bedeutet, sie stützt sich ausschließlich auf Spendengelder.
Aus diesem Grund wird jeder Freiwillige gebeten, einen Spenderkreis aufzubauen. Dieser soll es ermöglichen, den Restbetrag zu finanzieren. Unter meinem Blog „Anna-Lus Jahr in Mumbai“ können Sie noch mehr über das Thema erfahren. Dort werde ich auch all meine Erfahrungen und Erlebnisse teilen, die ich über das Jahr gesammelt habe.“
RocciPix: Was wirst du in dem einen Jahr besonders vermissen?
AnnaLu: „Vermissen werde ich in erster Linie meine Familie, die mir sehr viel bedeutet. Meine drei großen Geschwister haben alle jeweils schon ein Auslandsjahr gemacht und somit kenne ich zum Glück schon ein paar Schwierigkeiten. Aber mittlerweile kommt man ja übers Internet schnell und mit allen Menschen in Kontakt. Die Traditionen, wie beispielsweise Weihnachten, werden mir fehlen. Dafür lerne ich aber neue Traditionen kennen, die mich ablenken werden.
Auch meine Freunde werde ich natürlich vermissen. Entspanntes, spontanes treffen am Steinbruch fällt nun für ein Jahr aus. Die vielen Feierbilder werden mir ja zum Glück über RocciPix angezeigt, so habe ich auch in Indien etwas zu lachen. Meine Heimat werde ich auch sehr vermissen. Die Kleinstadt hat schon was an sich, was man glaube ich erst schätzen lernt, wenn man weg ist. Die KJB liegt mir sehr am Herzen und die Jugendabende werden mir wirklich fehlen. Ich glaube ich könnte noch viel mehr aufzählen, aber darüber möchte ich mir momentan noch keine Gedanken machen, ansonsten würde ich ja gleich vor Sehnsüchten zu Hause bleiben.“
RocciPix: Hast du schon eine Idee, was du nach dem Jahr machst? Wo willst du mal Beruflich hin?
AnnaLu: „Nach diesem Jahr werde ich entscheiden, ob ich in der sozialen Richtung bleiben möchte. Ein Plan wäre soziale Arbeit zu studieren und dann in einer Organisation zu arbeiten, oder in anderen sozialen Einrichtungen. Eine andere Option wäre für mich das Jurastudium. Damit könnte ich auch in die Entwicklungshilfe gehen und als Jurist tätig sein. Da meine Eltern beide Anwälte sind, ist das für mich gar nicht so abwägig. Doch wer weiß, was ich nach diesem Jahr denke. Vielleicht wird es auch etwas ganz anderes.“
Danke an AnnaLu, die sich die Zeit für das Interview genommen hat. RocciPix wünscht dir viel Spaß und viele Erlebnisse in Indien. Komm gesund und munter wieder!
– Ihren Blog findet ihr unter https://blogs.donboscovolunteers.de/annalusjahrinmumbai/
– Den Beitrag in der SZ findet man unter Saechsische.de
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