Dresden: Da will man eigentlich nur mit der Familie, den Fans der SG Dynamo Dresden, den Aufstieg in die zweite Liga feiern, doch dann kommt doch alles anders als gedacht. Ich habe echt überlegt, ob ich die kommenden Zeilen nun wirklich niederschreibe oder einfach alles so stehen lasse, wie es viele der lokalen und überregionalen Medien berichten. Doch irgendwie halte ich das für falsch, wenn man über die Geschehnisse und leider auch viele Falschmeldungen schweigt. So oft erfährt man Dinge nur über die Presse, doch heute war ich selbst als langjähriger Dynamofan, aber auch irgendwie als Journalist mitten drin im Geschehen und habe hautnah erlebt, wie die Stimmungslage in wenigen Sekunden völlig ins Negative kippte.
Aber rollen wir die ganze Geschichte mal von vorne auf. Die Uhr zeigt 12:45, wir setzen uns in Bewegung. Von Bischofswerda ging es dann über die A4 nach Dresden zum Parkplatz unweit des Rudolf-Harbig-Stadion. Kaum am Lennéplatz angekommen, hat man schon gesehen, was heute auf alle Dynamofans zukommt. Ich habe lange nicht so viele Polizeifahrzeuge auf einen Haufen gesehen, geschweige bei einem Fußballspiel der SGD, wo nicht mal Fans im Stadion sind. Nicht mal bei Derbys gegen Rostock, Magdeburg oder Aue war so ein Aufgebot rund um das Stadion aufgebaut. Die Lennéstraße war ein riesiger Polizeiparkplatz. Leider – und das ist nicht wirklich ein Zeichen für Deeskalation – standen auch schon zwei große Wasserwerfer sowie ein Räumpanzer der sächsischen Polizei parat. Lief man vom Hauptbahnhof in Richtung Stadion, lächelten einen die drei Fahrzeuge bereits an. Muss das sein, wenn man im Vorfeld ankündigt, die Polizei möchte deeskalierend auf die Menge einwirken? Ich denke nicht.
Am Eingang vom Großen Garten sammelten sich in der ersten Halbzeit mehrere tausend Dynamofans, zündeten Pyrotechnik und feierten friedlich das 1:0 sowie 2:0. Menschen fielen sich in die Arme, die Gesänge wurden lauter. Bis hier hin noch alles völlig friedlich. Die Polizei hielt sich im Hintergrund und ging nicht dazwischen. Auch beim 3:0 in der 62. Spielminute hallte ein lauter Jubelschrei durch die Straßen und Parks am Rudolf-Harbig-Stadion. Nun packte man förmlich alles an Pyrotechnik aus, was da war. Den Fans war an diesem Punkt klar: Die 2. Liga hat die SG Dynamo Dresden wieder zurück!
Ein Teil der Fans setzte sich dann ruhig, gelassen in Bewegung und hatte vor, sich um das alte Trainingsgelände im Großen Garten der SGD zu versammeln und gleichmäßig zu verteilen. Völlig friedlich wollte man hier an dieser Stelle gemeinsam mit den Fans vor Ort die Rückkehr in die 2. Bundesliga feiern. Die Freude war groß, genau so die Euphorie eine großartige Aufstiegsfeier zu erleben, doch innerhalb weniger Sekunden kippte die Stimmung komplett. Als eine große Gruppe in Richtung Zaun des Trainingsgeländes lief, stürmten plötzlich mehrere Beamte, etwa 30-40, auf die Gruppe zu und versuchten sie mit Schlagstöcken zurück zu drängen. Einen Grund hierfür gab es nicht. Einige Unbelehrbare ließen sich von der Aktion leider provozieren und warfen Flaschen auf die Beamten.
Was ab diesem Moment folgte, prägte den heutigen kompletten Nachmittag, bis weit nach dem Abpfiff. Immer mehr Polizeibeamte griffen in die Situation ein, genau so die angetrunkenen und zum Teil gewaltbereiten Personen auf der anderen Seite. Ich nehme in diesem Fall mit voller Absicht das Wort „Fan“ nicht in den Mund, da bei der Aktion zahlreiche Nicht-Dynamofans dabei waren. Gewaltbereite, die ab diesen besagten Moment nur noch ein Ziel hatten: Drauf auf die Polizei. Rund 98% der Anwesenden wollten einfach nur den Aufstieg feiern, doch das war ab da nicht mehr möglich.
Ich verstehe, dass die Polizei gegen die Flaschenwerfer vorgehen muss. Ich verurteile an dieser Stelle jeden Flaschenwerfer, denn durch eure Würfe wurden auch zahlreiche Dynamofans schwer verletzt. Auch ich bekam eine Flasche an den Kopf, aber außer ein dickes Ohr hatte ich recht viel Glück. Ich verurteile aber auch das Verhalten der Polizei, die überzogene aggressive Vorgehensweise sowie auch der übertriebene Einsatz von Tränengans. Völlig wahllos wurde mit Wasserwerfern in die feiernden Dynamofans gehalten. Dabei wurden extrem viele Frauen, Jugendliche und Kinder verletzt. Ich habe kleine Kinder gesehen, die weinend auf der Straße standen und sich in völliger Panik an die Eltern krallten. Eine Chance rechtzeitig mit den Kindern den Großen Garten zu verlassen, hatte man nicht, da die Polizei schnell und gewaltsam vorging.
Ich habe Polizeibeamte mit Waffen herum laufen sehen, die mit scharfer Munition auf Menschenmengen schossen. In diesem Fall handelte es sich um Tränengasgeschosse, die im übrigen auch die eigenen Beamten zum Teil verletzten. Ein hoch motivierter Polizist schoss eine der Tränengaspatronen unkontrolliert in eine Gruppe von Bereitschaftspolizisten, die darauf hin alle Verletzungen an den Augen erlitten und in ärztliche Betreuung mussten. Wer dachte, dass die ganze Situation danach so langsam ein Ende fand, hat sich mächtig geirrt. Die Polizei wirkte weiter nicht deeskalierend und fuhr ein immer größeres Aufgebot gegen die anwesenden Randalierer auf.
Die, ich nenne sie mal so, „Straßenschlacht“ zog sich dann vom Großen Garten bis zur gläsernen Manufaktur, weiter über die Cockerwiese, entlang der Lennéstraße. Wasserwerfer leerten ihr Inneres fast komplett aus, Beamte rannten in großer Anzahl wahllos in die Meute. Alles ziemlich unkontrolliert, von beiden Seiten. Es flogen Bauzäune, Holzstämme, Steine, Flaschen, alles was man so in der Hand hatte und am Straßenrand lag. Etwa zwei Stunden lang lieferten sich zahlreiche Person eine regelrechte Schlacht. Hier entlud sich an dem Nachmittag so viel gesammelter Frust, von der Polizei, aber auch von einigen Chaoten auf der Straße, die die Bühne Dynamo Dresden für ihre eigenen Zwecke nutzten.
Aber fassen wir das ganze nun nochmal zusammen:
Friedlich feiern über 5.000 Dynamofans im Großen Garten bis zum 3:0 in der 62. Minute. Durch ein absolut übertriebenes Vorgehen einiger Beamter eskaliert die Situation plötzlich komplett und beide Seiten geraten mächtig aneinander. Alles schaukelt sich nach oben, bis man eine regelrechte Straßenschlacht auf der Lennéstraße hatte. Aber: Zahlreiche anwesenden Personen gehörten definitiv nicht zur Fanszene der SG Dynamo Dresden und nutzten die große Plattform am heutigen Tage, um gegen die Polizei mobil zu machen.
Fakt ist aber, und davon bin ich ganz fest überzeugt:
Hätte man die zahlreichen Dynamofans vor das Stadion gelassen um gemeinsam den Aufstieg zu feiern, wäre die Situation definitiv völlig friedlich abgelaufen. Keine Person hätte Verletzungen erleiden müssen, keine Kinder hätten nun Angst vor der Polizei oder sogar vor Dynamo und ganz Deutschland hätte gesehen, wie wir in den schweren Zeiten einen Aufstieg feiern. Friedlich. Eine positive Welle wäre durch die Medienlandschaft geschwappt und hätte allen ein Stück Normalität in den Zeiten von Corona zurückgegeben.
Nun stehen wir als Fans der SG Dynamo Dresden wieder als randalierender Mob in der Medienwelt und die Polizei, die in dem Fall – und das ist meine persönliche Meinung – leider der Auslöser dieser Szenen war, als die armen Geschädigten. Ich möchte aber noch mal klarstellen: Ich verurteile die Flaschenwürfe, die Pyrowerfer auf andere Personen, Gewalt gegenüber Beamten, aber auch die massive Gewalt der Beamten gegenüber völlig unschuldigen Personen. Der komplette Vorfall muss dringend aufgearbeitet werden – und das aber von beiden Seiten. Hier wurden von Seiten der „Fans“ sowie auch von der Polizei Fehler gemacht, die hätten vermieden werden müssen.
An der Stelle noch drei Dinge:
1.) Hey, Dynamo ist zurück in der zweiten Bundesliga! Diese Info kam nach der 62. Minute leider viel zu kurz. Das 4:0 ging in der Unruhe leider völlig unter. Freuen wir uns in der kommenden Saison auf den FC Schalke 04, den Hamburger SV – dem ich an der Stelle übrigens zum erneuten Klassenerhalt gratulieren möchte – und vielen weiteren Krachern. Drücken wir die Daumen, dass wir in der Saison 2021/22 endlich wieder ins Stadion dürfen und dieser Corona-Wahnsinn ein Ende hat.
2.) Danke an die gesamte Mannschaft, die vor rund 40 Anhängern an der Walter-Fritzsch-Akademie noch ein Stück Aufstiegsfeier in unsere Erinnerung brannte. Ich denke mal, ich spreche da für viele Anwesende: Danke für das Freibier Brolle!
3.) Wie wir später an der Akademie erfahren haben, wollte die gesamte Mannschaft nach dem Aufstieg mit drei Stadtführungs-Bussen durch die Stadt fahren und gemeinsam mit ihren Fans den Aufstieg feiern. Auch die Polizei am Stadion dachte mehrfach über die Öffnung der Lennéstraße nach. Augenscheinlich wohl eine falsche Entscheidung, die hätte viel Leid, Schmerz und Schaden ersparen können.
In diesem Sinne: Bleibt gesund, feiert schön die Rückkehr in die zweite Liga. An alle Verletzten, dazu zählen beide Seiten: Gute Besserung!
Der Mannschaft drücken wir am kommenden Samstag die Daumen, dass sich die SG Dynamo Dresden zum zweiten Mal den Meisterpokal der 3. Liga holt. Für den Ostdeutschen Fußball würde man sich freuen, wenn der FC Hansa Rostock seine Rückkehr in die 2. Bundesliga ebenfalls feiern könnte, aber natürlich nur auf Platz 2.
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